Interview mit Helma Sick: Warum Frauen mehr über Finanzen nachdenken sollten
Altersarmut, Rentenlücke, private Vorsorge - damit befassen sich die wenigsten gerne. Frauen meiden diese Themen noch stärker als Männer. Gerade sie sollten ihre Altersvorsorge aber frühzeitig in den Fokus rücken. Schlechterer Verdienst, häufige Berufspausen oder Teilzeitbeschäftigung bedrohen sonst ihre finanzielle Lage im Alter. Finanzexpertin und Autorin Helma Sick verrät im Interview kluge Strategien für mehr Sicherheit.
Andrea Ott: In Ihrem Buch "Ein Mann ist keine Altersvorsorge" schreiben Sie, dass romantische Vorstellungen und falsche Rollenbilder dazu beitragen, dass Frauen häufig schlecht für sich sorgen und deshalb besonders gefährdet sind für Altersarmut. Was meinen Sie damit?
Helma Sick: Nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung schalten selbst intelligente, beruflich erfolgreiche Frauen den Verstand aus, wenn es um romantische Gefühle geht. Deshalb sind sie oft bereit, in Beziehungen Risiken einzugehen, vor denen jeder Mann die Flucht ergreifen würde. Mein Appell: Frauen, seid lieber jetzt unromantisch als später arm!
Jede dritte Ehe scheitert, in Großstädten jede zweite. Nach einer Scheidung bekommt man nur noch für Kinder unter drei Jahren Unterhalt. Es ist deshalb nicht unromantisch, sondern fahrlässig, mit dem Partner nicht über eine finanzielle Absicherung während einer Familienphase zu sprechen.
Andrea Ott: Wie ist das, wenn das Paar gar nicht verheiratet ist?
Helma Sick: Existenziell wichtig ist das gerade für unverheiratete Frauen in Partnerschaften. Sie bekommen weder Zugewinn- und Versorgungsausgleich, noch Unterhalt bei Trennung. Ohne Testament erben sie in einem Todesfall auch nicht. Leider ist das Problem bei denjenigen, die es betrifft, nicht im Bewusstsein.
Andrea Ott: Was müssten Frauen tun, um gut vorzusorgen?
Helma Sick: Männer fangen häufig schon mit Anfang 20 an zu sparen, Frauen erst mit Mitte / Ende dreißig! Sie verschenken damit viele Jahre, in denen ihr Geld für sie arbeiten könnte. Warum? Männer wissen von Geburt an, dass sie für sich sorgen müssen, weil es sonst keiner tut. Frauen wissen das offenbar noch immer nicht.
Andrea Ott: Dann sollten Frauen einfach früher beginnen, sich um Geldanlage und Altersvorsorge zu kümmern?
Helma Sick: Ja, aber nicht nur. Hinzu kommt, dass sich junge Paare emanzipiert fühlen, nach dem ersten Kind aber in traditionelle Rollenmuster zurückfallen. Also ER arbeitet, SIE bleibt zu Hause - weil Männer häufig mehr verdienen. Frauen bleiben dann oft länger zu Hause als geplant, kehren nur in Teilzeit in den Beruf zurück. Dabei bleiben sie oft, selbst dann, wenn ihre Kinder schon 16 Jahre alt sind. Häufig wollen sie das sogar bis zur Rente. All das wirkt sich massiv auf die Rente aus.
Andrea Ott: Ist also das Problem, dass Frauen im Job pausieren oder reduzieren?
Helma Sick: Wenn es nur die ersten Jahre sind, ist das kein Problem. Sie sollten die Teilzeit nicht zu lange ausdehnen und langsam wieder in Vollzeit arbeiten. Dass beide Eltern vollzeitbeschäftigt sind, wenn das Kind noch sehr klein ist, wird jedoch von den Eltern nicht gewollt und auch dem Kind nicht gerecht.
Andrea Ott: Wie könnte man dem entgegenwirken?
Helma Sick: Entscheidet sich ein Paar für die traditionelle Rollenteilung, muss SIE mit ihrem Partner klären, wie ihr Rentenausfall ausgeglichen wird. Mein Rat: Sie sollten sich bei der Deutschen Rentenversicherung ausrechnen lassen, wie sich die Familienzeit auf ihre Rente auswirkt und dann mit dem Partner eine Lösung suchen.
Andrea Ott: Wie kann eine solche Lösung konkret aussehen?
Helma Sick: Wenn SIE eine private Altersvorsorge begonnen hat, sollte sie diese auch während der Familienphase weiterführen. Häufig kündigen Frauen ihren Vertrag, „weil sie ja jetzt kein Geld mehr verdienen“. Diese Haltung muss sich ändern. Es geht nicht, dass eine gemeinsame Lebensentscheidung ausschließlich für die Frau wirtschaftliche Nachteile bringt.
Andrea Ott: Vollzeit arbeiten wie die Männer - wäre das Ihre Lösung?
Helma Sick: Eltern wollen die ersten Jahre ihres Kindes bewusst erleben. Ich plädiere dafür, dass sich beide die Elternzeit teilen, dann muss keiner zu lange aus dem Beruf aussteigen. Gäbe es die von der früheren Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig vorgeschlagene Familienarbeitszeit, wäre auch die Zeit nach dem Elterngeld geregelt. Dann würden beide 28 oder 30 Wochenstunden arbeiten, bekämen für ein oder zwei Jahre einen Lohnausgleich vom Staat. Danach sollte wieder in Vollzeit eingestiegen werden. Leider wurde dieser Vorschlag in der Großen Koalition abgelehnt.
Andrea Ott: Gibt es neben den finanziellen Aspekten noch weitere wichtige Tipps, die Sie Frauen mitgeben möchten?
Helma Sick: Neben dem finanziellen Ausgleich ist wichtig, dass SIE den Kontakt zum Arbeitgeber hält, Fortbildungen besucht etc. Männern und Frauen muss klar sein, dass es kaum möglich ist, nach langer beruflicher Abstinenz wieder zu guten Bedingungen an den früheren Arbeitsplatz zurückzukehren.
Wichtig ist auch, die Hausarbeit fair aufzuteilen, sobald sie berufstätig ist. Diese Diskussion sollte möglichst früh geführt werden, also wenn die Liebe noch jung ist. Ist die Liebe abhandengekommen, sind kaum mehr faire Regelungen möglich. Hier müssen die Frauen ihre Partner fordern.
Damit kommt der Kleinkindbetreuung eine wichtige Aufgabe zu. Man hört immer wieder, dass es schwer ist einen Platz zu finden, dass die Gruppen zu groß sind und vieles mehr. Gegenüber der Kleinkindbetreuung gibt es viele Vorbehalte. „Ein Kind ist bei der Mutter am besten aufgehoben“ heißt es oft. Ethnologen betonen, dass Kinder in allen Kulturen nie von der Mutter allein aufgezogen wurden, sondern immer in einer Dorfgemeinschaft. Diese Dorfgemeinschaften gibt es nicht mehr, an ihre Stelle sind Krippe und Kindertagesstätte getreten. Was Kinder dort lernen, kann eine Familie oft gar nicht vermitteln.